Montag, 20. November 2023

Städte der Vielfalt in Zeiten der Völkermischung

Diskussion und Vortrag mit Klaus Lederer

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Straße der Pariser Kommune 8A
10243 Berlin

Uhrzeit: 19:00 Uhr

Link zur Veranstaltung: https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/B7MRC

«Die große Völkermischung, der Verlust einer vermeintlichen Identität wird der weltumgreifende Konflikt», so Volker Braun in seiner Kamenzer Rede, «das Abenteuer der Gattung im 3. Jahrtausend. Die Katastrophen sind vorgezeichnet, die Rettungen sind zu erfinden.»

Mittlerweile sind viele Metropolen ein Patchwork der Minderheiten und damit auch eines der verschiedenen Erinnerungen, überlappenden Konflikte und anderer Traditionen. Noch wiegen Erinnerungen an die Katastrophen des 20. Jahrhunderts schwer, selbst wenn die unmittelbaren Zeitzeugen allmählich verschwinden. Nachgeborene tradieren sie.
In Cécile Wajsbrots neu übersetztem Roman «Memorial» sagt die Erzählerin, auf dem Weg zu Orten des Völkermords an den europäischen Juden, «ich trug die Last einer Vergangenheit, die ich nicht selbst erlebt hatte, als unfreiwillige Zeugin von Abgründen, die Generationen trennten». Es ist ein Erinnerungswerk, in dem auch das Schweigen und das Verdrängen dargestellt wird. Leider ist der Antisemitismus und andere Formen des Menschenhasses aktueller als zu den Zeiten als das Werk zuerst in Frankreich erschien. «Die Schuld zerstört die Gehirne und Seelen der Schuldigen. Das Blut der Opfer löscht den Durst der Mächtigen, aber es ist vergiftet», so heißt es im ersten Roman des Musikers Marc Sinan. Und leider ist der Völkermord an den Armenien vor über 100 Jahren tagesaktuell. Die Grenzen, die damals gezogen worden sind, waren koloniale. Die Auseinandersetzung damit war eine Hauptbaustelle des Kultursenators Klaus Lederer und bleibt sie auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt.

Der Abend diskutiert nicht nur die verflochtenen und die parallelen Geschichten, die die Geschichte Berlins ausmachen oder sich hier verbinden, sondern zeigt auch sinnliche Wege wie sie gestaltet werden können.

  • Marc Sinan, Sohn einer türkisch-armenischen Mutter und eines deutschen Vaters, ist Musiker, Komponist und Autor. Täter und Opfer und Völkermord: darum geht es in Marc Sinans Werk. Er spielt auf der Gitarre eigene Kompositionen, liest aus seinem Roman „Gleißendes Licht“ (Rowohlt) und diskutiert.
  • Cécile Wajsbrot lebt als vielseitige Autorin (Roman, Essay, Hörspiel) und Übersetzerin aus dem Englischen und Deutschen in Paris und Berlin. Sie liest aus ihrem neu übersetzten Roman «Memorial» (Wallstein) und diskutiert.
  • Klaus Lederer, Politiker (Die Linke), gestaltet eine Stadtgesellschaft der Vielfalt. Als Bürgermeister von Berlin und Senator für Kultur und Europa (2016-2023) setzte er sich für eine neue Erinnerungspolitik und nahm den Kolonialismus als beständige Aufgabe an – worüber er auch sprechen wird.
  • Achim Engelberg, Publizist und Buchautor, zuletzt «An den Rändern Europas» (DVA/Penguin Random House), kuratiert die Reihe und führt durch den Abend.
     
Klaus Lederer

Klaus Lederer

Die Sterne über Berlin – Mit einem Vorwort von Gregor Gysi


Hans-Dieter Schütt

Hans-Dieter Schütt, geboren 1948 in Ohrdruf (Thüringen), lebt als Publizist in Berlin. Zahlreiche Biografien und
Interviewbände, u. a. mit Reinhold Messner, Klaus Löwitsch, Frank Castorf, Robert Menasse, Alfred Hrdlicka, Ursula Karusseit, Regine Hildebrandt, Günter Gaus, Dieter Mann.
Hans-Dieter Schütt
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